Freizeiteinsatz beim Internationalen Bauorden
von Lisa Vieth
Naira kommt aus Georgien, Klaus, Moritz und Johannes aus Deutschland, Chrétienne ist Holländerin, Andrej Russe und Levent kommt aus Bulgarien - sechs junge Leute und ein Senior haben sich für ein ungewöhnliches Freizeitprogramm entschieden: Sie nehmen teil an einem Baucamp des Internationalen Bauordens. Statt Sonnencreme und Strandmatte haben sie Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe in ihrem „Urlaubsgepäck“. Zwei Wochen malochen sie täglich acht Stunden auf dem Bau - für andere und im Dienst einer guten Sache. Und ohne Bezahlung! Einige von ihnen verbringen sogar ein ganzes Jahr beim Bauorden und touren von Camp zu Camp, quer durch ganz Europa. „In den Baucamps kommen junge Leute zusammen, die spenden kein Geld, sondern die spenden Zeit und Arbeitskraft“, erklärt Peter Runck vom Bauorden die Idee der Organisation, „damit helfen sie sozialen und gemeinnützigen Projekten“.
Aus der Wohnungsnot der Nachkriegszeit geboren
... und das schon seit 1953. Damals nämlich wurde der Bauorden vom holländischen Ordensmann Werenfried van Straaten gegründet. Der Pater motivierte junge Leute, beim Bau von Eigenheimen für Flüchtlinge und Vertriebene mitzuhelfen, um die allgemeine Wohnungsnot zu lindern. Seither organisiert der Bauorden internationale Baucamps, und mehr als 350.000 Freiwillige waren bei den Hilfsprojekten schon im Einsatz.
Baucamp 2009: der Eilhardshof
Der Eilhardshof in Neustadt an der Weinstraße ist ein denkmalgeschütztes Anwesen und soll zu einem Mehrgenerationenhaus umgebaut werden. 30 bis 40 Menschen werden hier gemeinschaftlich miteinander leben und alt werden - Familien, Alleinerziehende, Singles, Junge und Alte. Die zukünftigen Bewohner haben sich im Mieterverein „Neuland“ zusammengeschlossen und das Gebäude im April 2008 gekauft. Insgesamt 1.700 Quadratmeter werden nun nach denkmalschützerischen und ökologischen Kriterien stufenweise ausgebaut. 18 Wohnungen unterschiedlicher Größe, Gemeinschaftseinrichtungen und Werkstätten entstehen hier.
Getestet und für gut befunden - das Wohnprojekt
Horst Stowasser, Sprecher des Mietervereins und zukünftiger Bewohner des Eilhardhofs, war im Internet auf den Bauorden aufmerksam geworden. „Man macht sich ja schlau, wir haben ihn dann angesprochen, wir sind getestet worden, die sind sehr streng, und wir haben offenbar die Kriterien erfüllt“, erzählt Horst Stowasser nicht ohne Stolz.
Der Bauorden hat nicht nur das Konzept des Wohnprojekts geprüft - um Unterstützung zu bekommen müssen die Projekte sozial und gemeinnützig sein -, auch die Baustelle wurde direkt vor Ort begutachtet. Und das gleich zweimal. Bausicherheit war ein wichtiges Thema, aber auch der sinnvolle Arbeitseinsatz. Darüber hinaus hat der Projektpartner für Unterkunft und Verpflegung zu sorgen, und - nicht zu vergessen - auch für Freizeitaktivitäten. Im Gegenzug kümmert sich der Bauorden um Haft- und Unfallversicherung, Fahrt und Anreise. Dann war es endlich soweit, Ende April rückten die freiwilligen Helfer an.
Arbeit satt
Das denkmalgeschützte Ensemble aus Herrenhaus, Wirtschaftsgebäuden, Stallungen und einer Mühle ist über drei Jahrhunderte gewachsen. Die Gebäude wurden aber in den letzten Jahren ziemlich vernachlässigt. Es hat reingeregnet, faule Balken und marodes Mauerwerk müssen nun abgerissen und ersetzt, ehemalige Zugänge wieder hergestellt werden. Architekt Jörg Finkbeiner und Polier Enzo Lung können die tatkräftige Unterstützung ihrer Bauteams wahrlich gut gebrauchen. Aber auch die freiwilligen Helfer profitieren. „Wir haben auf der Baustelle verschiedenste Gewerke, unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten“, erklärt Jörg Finkbeiner das Prinzip der Arbeitseinsätze, „und wir haben dafür gesorgt, dass die Baucampteilnehmer nicht 14 Tage lang an einer Stelle arbeiten, sondern rotierend den einzelnen Teams zugeordnet sind. Wir haben mehrere Meister auf der Baustelle, so dass sie optimal betreut sind.“
„Kein Bock auf Strandurlaub“
Die Arbeit ist abwechslungsreich
Nur in der Sonne liegen ist der Holländerin Chrétienne zu wenig. Naira aus Georgien möchte nach Politikstudium und Bachelor einfach mal ein Jahr Pause machen. Levent aus Bulgarien und Andrej aus Russland wollen Deutschland kennenlernen. Für den 17-jährigen Johannes, der Zimmermann werden möchte, ist das Baucamp eine gute Möglichkeit, sich in den Gewerken ein bisschen umzusehen. Klar ist: Jeder möchte helfen. Aber jeder hat auch seine ganz persönliche Motivation. Moritz ist Anfang zwanzig und ausgebildeter Steinmetz. Er absolviert zur Zeit ein freiwilliges ökologisches Jahr beim Bauorden, weil er schlichtweg Lust auf Neues hatte. „Ich wollte rauskommen, wollte noch mal was erleben, nicht zehn Jahre im gleichen Betrieb arbeiten, und jetzt bin ich noch jung, da war die Gelegenheit günstig.“ Für die Bauleute auf dem Eilhardshof ist Moritz mit seinem Fachwissen ein richtiger Glücksfall.
Klaus aus Mecklenburg-Vorpommern ist 65, Rentner und der Senior der Gruppe. Früher hat er als Arzt gearbeitet, jetzt genießt er die handwerkliche Arbeit und fühlt sich ausgesprochen wohl in der Gruppe. „Das Gemeinschaftliche hat mir in meinen Berufsjahren immer gefehlt“, sagt er. Zwar sind es vorwiegend junge Leute, die sich in den Baucamp-Trupps zusammen finden, „aber auch Senioren, die rüstig sind und die Lust haben, acht Stunden zu arbeiten, sind herzlich willkommen“, betont Peter Runck vom Bauorden.
Nach zwei Wochen ist dann Schluss mit Schleifen, Hämmern und Buddeln für die gute Sache, der Hilfstrupp vom Bauorden rückt ab, heimwärts oder weiter zum nächsten Camp. Mit Sicherheit um einige Erfahrungen reicher. Auf der Baustelle hätte man den sympathischen Trupp gern länger da gehabt.
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