Es ist heiß an diesem Frühsommertag in Giurcani. Sechs Menschen des Internationalen Bauordens renovieren ein einstöckiges Wohnhaus. Einige kratzen den alten Lack ab, Melanie Seegelken schmirgelt das Holz. Die junge Frau aus Esslingen arbeitet eigentlich bei einem großen Energieversorger und ist unbestrittene Baucamp-Veteranin. Sie war schon bei neun Baulagern dabei. Die Arbeit in Giurcani sei allerdings bislang die härteste, erzählt sie. "Aber es ist gut organisiert. Hier haben wir wirklich etwas zu tun."
Acht Stunden Arbeit am Tag
Acht geistig Behinderte leben in dem familiären Behindertenzentrum "Casa Noua" – übersetzt heißt das "neues Haus". Einige von ihnen helfen den Freiwilligen aus Westeuropa bei der Arbeit.
Der Jurastudent Alessandro Luigi Longo arbeitet ohne Pause. "Ich bin hergekommen, um etwas Anderes aus zu probieren. Am Anfang war es schwer für mich, weil ich so eine Art Arbeit nicht kannte", erzählt er. Es ist sein erstes Baucamp.
Der 23-Jährige ist dazu auch zum ersten Mal in Rumänien - und das gleich in einem abgelegenen Dorf, weit weg von jeder urbanen Ablenkung. Doch den Italiener stört das nicht. Nach dem anstrengenden Achtstundentag ist er müde und fällt nur noch ins Bett.
Erholen von den Strapazen: Pause in der Hängematte.
Eintauchen in eine andere Lebenswelt
Zeit für Gemütlichkeit gibt es im Baucamp trotzdem. In der Mittagspause reden die Helfer aus den Niederlanden, aus Italien und Deutschland bei einem Kaffee auch über ihr Leben zu Hause. Mit am Tisch sitzt auch der Rumäne Sandu Coman. Er freut sich über die Arbeit der Freiwilligen. "Sie sind eine echte Hilfe: Einige installieren Sanitäranlagen und andere elektrische Leitungen."
Aufgebaut hat das "Casa Noua" der rumänisch-niederländische Verein "noi si voi". Hannah Smit hat den Verein gegründet, der die Hilfe des Internationalen Bauordens angefordert hat. Sie leitet auch das Baucamp, ist Managerin und Campmutter in einem. "Für manche Helfer ist es eine Art Kulturschock zu sehen, dass Leute heute in einem Dorf ohne Wasser leben, dass sie die Wäsche per Hand waschen", erzählt sie. Viele junge Leute würden nur ein luxuriöses, organisiertes Leben kennen und denken, dass das so sein müsse. "Da ist es gut, mal rauszukommen", sagt sie.
Diese Erfahrung hat auch der Italiener Tommaso Pepe gemacht. "Ich bin auch in dieses Camp gekommen, um zu verstehen, was Armut bedeutet. Armut ist, wenn die Straßen schlecht sind, wenn ein Dorf keinen Arzt, keine Post oder keine Schule hat", sagt er.
Statt Urlaub auf die Baustelle
Nah dran sein
Die Dörfer rund um das rumänische Giurcani sind oft nur über Schotterpisten erreichbar. Abends wird es still im Dorf – Autolärm gibt es hier nicht. Dann sitzen Melanie Seegelken und die anderen Helfer gemeinsam am Lagerfeuer. Es mache Spaß, anderen Leuten zu helfen, erklärt sie ihre Motivation. "Dadurch, dass wir Kontakt zu den Arbeitern haben, lernen wir die Leute besser kennen. Als Tourist würde man nicht drei Wochen mitten in einem rumänischen Dorf wohnen."
Hannah Smit aus den Niederlanden und Melanie Seegelken
Autorin: Grit Friedrich
Redaktion: Julia Kuckelkorn / Mareike Röwekamp
Weitere Informationen:
Seit über 50 Jahren organisiert der Internationale Bauorden (IBO) Jugendbegegnungen, Friedensdienste und Hilfsprojekte in Europa. Er unterstützt soziale und gemeinnützige Einrichtungen durch Bau- und Renovierungsarbeiten. Über 350.000 Schüler, Studierende, Auszubildende, Handwerker und Angestellte haben bisher als Freiwillige dabei geholfen. Die Kosten übernehmen zum großen Teil Spender.
Gegründet wurde der Bauorden 1953 vom holländischen Ordensmann Werenfried van Straaten. Heute gibt es in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Italien und Ungarn selbstständige nationale Bauordens-Organisationen.
Deutsche Welle, 16. Juni 2009
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