Samstag, 4. September 2010

Mazedonische Herzlichkeit und ein schwerer Abschied

Mein Baucamp in Kratovo

Direkt im Anschluss an das Baucamp in Biancavilla reiste ich nach Mazedonien, um dort an einem weiteren Baucamp teilzunehmen. Am Flughafen in Skopje nahm mich bereits ein Teilnehmer in Empfang, um dann mit mir gemeinsam zum Busbahnhof zu fahren. Dort wartete eine weitere Teilnehmerin und wir fuhren dann zu dritt mit dem Bus nach Kratovo. Die Busfahrt an sich war schon aufregend, zumal wir vorgewarnt wurden selbst bei der größten Hitze die Fenster nicht zu öffnen. Auch wussten wir nicht genau, wie lange wir fahren werden und ob wir an der richtigen Haltestelle aussteigen würden.

Alles war gut, als uns Paul, der Projektverantwortliche abholte und uns zu unseren Gastfamilien brachte. Am Abend trafen wir uns alle mit den Gastfamilien in einer Bar zum Willkommensessen, wo wir auch endlich die anderen Teilnehmer, die mit Bus und Bahn angereist waren, trafen. Man verstand sich auf Anhieb und freute sich schon im Vorfeld auf das, was da kommen mag.

Am nächsten Morgen trafen wir uns alle auf dem Pausenhof der Mittelschule. Viele waren verwundert, da wir doch ein anderes Projekt im Kopf hatten. Das Schulhofprojekt sollte eigentlich von belgischen Freiwilligen durchgeführt werden. Da diese jedoch nicht kommen konnten und es dringlicher war, bis zum Schuljahresbeginn diesen Platz zu erneuern, übernahmen wir gern diese neue und ebenso wichtige Aufgabe. Das Projekt beinhaltete nicht nur den Schulhof neu zu betonieren und das Fuß- und Basketball-Spielfeld auf Vordermann zu bringen, sondern auch auf dem Gelände des Kindergartens im unteren Teil der Stadt einen Spielplatz neu herzurichten. So teilte sich die Gruppe auf und erledigte die Arbeit parallel an zwei Standorten. Dabei stand jedem frei zu tun, was er möchte und sich auch zutraut – so fand sich schnell für jeden eine Aufgabe.




Wir arbeiteten täglich in zwei Etappen, einmal am Vormittag und dann nochmal am späten Nachmittag. Aufgrund der großen Hitze war es oft schwierig am Vormittag zu arbeiten, so dass wir an einigen Tagen beschlossen, nicht erst 9 Uhr, sondern bereits um 8 Uhr oder noch eher zu beginnen. In Abstimmung mit den Facharbeitern auf der Baustelle hat das auch gut funktioniert. Diese waren schon ab 7 Uhr da, bereiteten die Betonierarbeiten vor, so dass wir gleich starten konnten. Für fast alle war das Beton mischen eine neue Erfahrung, die aber riesen Spaß machte und ebenso eine Herausforderung darstellte, den perfekten Beton zu mischen.

Die Arbeit war dennoch anstrengend, so dass wir uns mit dem Schleppen der Zementsäcke, dem Wasser holen, an der Mischmaschine und beim Wegfahren der vollen Schubkarren abwechselten. Schon nach kurzer Zeit waren wir ein perfekt eingespieltes Team. Die Arbeiter vor Ort waren anfangs etwas skeptisch, dass die Frauen sogenannte „Männerarbeit“ verrichteten, aber sie merkten doch schnell, dass wir genauso gut darin waren und es gerne machten. Die Arbeit ging gut voran, auch wenn wir es leider nicht geschafft haben alles komplett zu betonieren, da dies sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, was ich mir nie hätte vorstellen können. Aber eine große Freude war es, die Arbeiten auf dem Spielplatz beenden zu können und diesen am vorletzten Tag feierlich mit Spielen, Essen und Trinken und vielen glücklichen Kindern zu eröffnen – das war ein feierlicher Abschluss unserer Arbeit.



Unsere freie Zeit begann täglich mit einem wundervollen Mittagessen, was wir jeweils in unseren Gastfamilien einnahmen. Es war immer reichlich, vielfältig und landestypisch – wir ließen uns jeden Tag neu überraschen und probierten alles aus. Auch wenn man Vegetarier war, hatte man immer eine große Auswahl. Nach dem Mittagessen hatten wir noch viel Zeit um uns zu entspannen. Diese Zeit nutzten wir fast täglich gemeinsam im örtlichen Freibad, im oberen Teil der Stadt gelegen und umrahmt von einem fantastischen Bergpanorama. Unser Abendessen nahmen wir ebenso in unseren Gastfamilien ein und es blieb oft Zeit für Gespräche mit der Gastfamilie, das Erlernen einiger mazedonischer Vokabeln, zum gemeinsamen Singen und Musizieren. Später trafen wir uns dann alle in der Stadt um uns von Paul und unseren Gastgeschwistern die Kneipenszene der Stadt zeigen zu lassen.

Dabei haben wir unsere Lieblingsbar „Talisman“ gefunden, die noch recht neu ist und von einem jungen Pärchen betrieben wird. Dementsprechend haben wir dort viele junge, aufgeschlossene Menschen getroffen, die uns sehr schnell ans Herz gewachsen sind. Auch sie haben uns an einigen Tagen auf der Baustelle geholfen und mit uns die nachmittägliche Freizeit verbracht. Weitere Höhepunkte waren der Ausflug auf einen Berg mit einer beeindruckenden Panoramasicht auf Kratovo am Abend, der Besuch des Marktes am Samstag, ein Ausflug zu den Stonedolls, einem Naturwahrzeichen in der Nähe von Kratovo und die Abende, als Paul im Talisman und bei sich zuhause einen Live-Musik-Abend veranstaltete - von seinen Gitarren- und Gesangskünsten war offensichtlich jeder beeindruckt.



Alles in Allem muss man einfach sagen, dass das Camp das Beste war, wenn ich meine bisherigen Camps rückblickend betrachte. Es hat einfach alles gut zusammengepasst und ich habe nicht einen Moment lang gezweifelt, nach meinem ersten Camp direkt noch ein zweites zu machen, auch wenn das 4 Wochen Arbeit am Stück bedeutet hat – ich hätte definitiv eine sehr schöne Erfahrung mit den anderen nicht teilen können. Der Abschied von den Gastfamilien und den Menschen im Ort, die man kennenlernen durfte, war daher nicht einfach und es flossen ein paar Tränen. Auch Paul, Jessica und Jordanka, die Verantwortlichen vor Ort, haben uns nochmals herzlich für unsere Arbeit gedankt und schätzen sehr, dass wir für 2 Wochen unsere Zeit und Arbeitskraft geopfert haben. Wenn man geht und in dankbare und zufriedene Gesichter blickt, ist das allein schon genügend Motivation um weiterzumachen!



Susann Thiele, 02.September 2010

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