Mittwoch, 22. August 2007

Spaß trotz Schwielen an den Händen

10 Jugendliche aus 4 europäischen Ländern bauen ein traditionelles Backhaus

Noch sieht das kleine, gemauerte Häuschen auf dem Gelände des Hofguts Oberfeld bei Darmstadt aus wie das, was es einmal war: ein Hühnerstall. Altes, grobes Mauerwerk, ein unbearbeiteter Boden und ein Eingang ohne Tür lassen kaum erahnen, dass die ehemalige Unterkunft für Federvieh ab Ende dieser Woche einem anderen Zweck dienen soll. Ein „Backes“ soll entstehen, ein traditionelles Backhaus für Brot, Brötchen oder Kuchen.

Zehn junge Erwachsene zwischen 16 und 25 Jahren aus Deutschland, Belgien, Bulgarien und der Ukraine werkeln fleißig, um am Freitag (24.) die ersten Leibe in den Ofen schieben zu können. „Hier soll ein Backhaus nach traditionellem Vorbild entstehen“, erklärt Klaus Plischke von der Initiative Domäne Oberfeld, die das Projekt initiiert hat. Die gemeinnützige Stiftung Hofgut Oberfeld plant, mit Unterstützung des Vereins Heydenmühle eine heilpädagogische Einrichtung mit ökologischer Landwirtschaft auf dem Gut zu errichten. Diese soll Menschen mit Behinderungen als Lebensort dienen.

„Das Backhaus soll in Zukunft jedem offen stehen“, erklärt Plischke. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Privatleute sowie Schulklassen, die den „Lernort Bauernhof“ – ein Angebot des Hofguts Oberfeld – im Unterricht behandeln. Die jugendlichen Backes-Bauherren sind über den internationalen Bauorden, der seinen Deutschlandsitz in Worms hat, nach Darmstadt gekommen. Der Bauorden bietet jungen Leuten aus ganz Europa die Möglichkeit der Begegnung und des gemeinsamen Arbeitens für einen guten Zweck. „So bin ich nach Darmstadt gekommen“, erzählt Iris (24), Architekturstudentin aus Berlin. „Ursprünglich wollte ich nach Afrika und dort Lehmhütten bauen. Das Backhausprojekt in Darmstadt „hat mich interessiert, weil man alles selbst machen muss.“ Für die Architekturstudentin sei dies eine „willkommene praktische Übung, denn im Studium wird fast nur theoretisch gearbeitet“.

Die Theorie beim Backes-Bau auf dem Hofgut Oberfeld beschränkt sich im Wesentlichen auf eine von Klaus Plischke gezeichnete Anleitung. „Da ich Bauzeichner bin, habe ich natürlich einen Plan erstellt“, erklärt er. Der Hühnerstall soll als Vorbereitungsraum dienen. „Hier können die Leute ihre Brote fertigkneten oder ähnliches“, erklärt er. Der Backofen, den die Jugendlichen komplett selbst bauen, schließt sich an den Raum an. Das Fundament aus Ziegelsteinen steht bereits. „Dazu wurde der Boden etwa 80 Zentimeter tief ausgegraben, damit eventueller Frost dem Ofen nicht schadet“, erläutert Plischke. Das Innere des Ofens besteht aus besonders hitzefesten Schamottesteinen, die Temperaturen von mehr als 250 Grad Celsius standhalten. Die Jugendlichen packen kräftig an, niemand jammert oder klagt über die nicht immer einfache Arbeit am Backhaus.

Auch nicht die zarte Polina (18) aus Bulgarien. „Ich möchte in Darmstadt Architektur studieren“, erzählt sie. „Deswegen mache ich mit.“ Anders Mustafa (18): Der junge Mann aus Bulgarien wollte „mal etwas anderes erleben“. Der Sohn eines Maurers hat mit seinem Vater das elterliche Haus in Bulgarien gebaut. „Ich weiß, was ich hier mache“, erklärt er. Obwohl er ausschließlich Bulgarisch spricht, hat er keine Verständigungsprobleme. Freund Ivan (16), der ebenfalls aus Bulgarien kommt und neben seiner Muttersprache zudem Englisch beherrscht, übersetzt vom Bulgarischen ins Englische und umgekehrt.

„Diese Multikulti-Durcheinander gefällt mir besonders“, sagt Lena (22), die aus der Ukraine stammt. Seit fünf Jahren lebt sie in Deutschland, seit drei Jahren studiert sie Sozialpädagogik in Nürnberg. „Dafür muss ich eine interkulturelle soziale Arbeit vorweisen“, erklärt die junge Frau. „So bin ich auf dieses Projekt gestoßen.“

Wie die meisten Teilnehmer des Workshops hat Lena nie zuvor handwerklich gearbeitet. „Ich habe Blasen an den Händen und bekomme Schwielen“, sagt sie und lacht. „Aber man gewöhnt sich an alles.“ Zudem könne, wer vom Arbeiten am Backhaus Erholung sucht, bei Bildhauer Roger Rigorth mithelfen. Er fertigt ein Sonnensymbol aus Holz, das später den Eingang der Deutschland-Zentrale des Bauordens in Worms zieren soll. „Der hat die Jugendlichen schließlich hier zusammengebracht“, sagt Klaus Plischke. „Deswegen bekommt er ein Geschenk.“


Sonja Jordans für das Darmstädter Echo





Keine Kommentare: