Ein brutaler rassistischer Anschlag.
Das Haus einer Roma-Familie wird mit einem Molotov-Cocktail beworfen. Als der Vater und sein fünfjähriger Sohn herausrennen, werden sie niedergeschossen. Der Schuss auf die kleine Tochter trifft nicht voll, sie rettet sich blutend in die Büsche. Die Mutter versteckt sich im Haus, erleidet schwere Verbrennungen.
Auch in das Nachbarhaus, in dem der Rest der Familie lebt, wird solch ein explosives Geschoss geworfen, doch durch puren Zufall geht es nicht los. Gewarnt gehen die Menschen in Deckung und bleiben körperlich unverletzt. Nur körperlich.
Mit dieser schockierenden Vorgeschichte im Hinterkopf gingen ich und die vier anderen Freiwilligen zu diesem besonderen Baucamp. Wir waren sowohl mit Elan als auch Angst erfüllt, denn unsere Hilfe wurde von den erstarkenden rechtsextremen Kräften in Ungarn als Provokation angesehen.
Doch schon bald waren diese düsteren Gedanken verschwunden.
Die unendliche Gastfreundschaft der Roma, die sich ehrlich über unsere Anwesenheit freuten und die Kommunikation mit den Menschen, die durch das Fehlen einer gemeinsamen Sprache nur unwesentlich getrübt wurde, ließen alle Sorgen vergessen.
Und das ungarische Essen, das uns trotz der widrigen Umstände Tag für Tag serviert wurde, sorgte dafür, dass wir mit ständig wachsenden Tatendrang zu Werke gingen.
So machte es jeden Tag aufs Neue Freude, das alte, aus sonnengetrockneten Lehmziegeln gebaute Haus wieder auf Vordermann zu bringen. Wir bauten Türen ein, um in dem Dreigenerationenhaushalt etwas mehr Privatsphäre zu schaffen, und wechselten die glaslosen Fenster aus, wobei wir erst einmal unter Einsatz von Muskelkraft passende Öffnungen in den Wänden schaffen mussten.
Die Außenfassade wurde neu verputzt und die Innenwände gestrichen. Auch die Küche verlegten wir in einen passenderen Raum und setzten Wasser- und Elektronikleitungen in die Wände.
Der Garten wurde „platt gemacht“ und Bäume gepflanzt, die Kinder zur Schule geschickt und drei Familienmitgliedern ein Job in Aussicht gestellt, wenn die Schulbesuche so regelmäßig bleiben wie während unserer Anwesenheit.
Während der gesamten zwei Wochen hatten wir einen großen Zulauf an Kamerateams und Journalisten verschiedenster Nationalitäten. Am zweiten Wochenende besuchten uns auch einige deutsche Politiker und als Krönung spendete der DFB der Schulmannschaft des Dorfes neue Ausrüstung und lud alle Beteiligten zum Freundschaftsspiel Deutschland-Ungarn ein.
Wir gingen mit dem Gefühl nicht nur einer Familie Hoffnung gegeben, sondern auch ein Zeichen gesetzt zu haben, als wir uns auf der Europa-Konferenz „Different People – One Europe!“ im Gegensatz zu allen anderen Projekten unter dem Motto präsentieren konnten „Don’t talk about it – just do it!“
Jannis Graber
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