Es tut sich was am Anwesen Würzburger Straße 22 in Helmstadt. Seit vergangenem Montag dringen Hämmern, Bohr- und andere Arbeitsgeräusche aus den Fenstern. In dem Anwesen entsteht ein so genanntes Mehrgenerationen-Haus, wie es sich Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder auch in Marktheidenfeld wünscht.
In Helmstadt arbeiten neun junge Leute aus fünf Nationen emsig mit. Entsandt wurden sie vom Internationalen Bauorden (IBO). Der wurde 1953 vom holländischen Pater Werenfried von Straaten gegründet mit dem Ziel, junge Leute für die Mitarbeit beim Bau von Eigenheimen für Flüchtlinge und Vertriebene in Deutschland zu motivieren. Mittlerweile gibt es in vielen Staaten eigenständige nationale Bauorden-Organisationen.
Aus fünf Ländern kommen die Helfer, die gegenwärtig beim Bau des Mehrgenerationen-Hauses in der Würzburger Straße in Helmstadt mitwirken.
Der Zweck hat sich mittlerweile geändert, nicht aber der soziale Aspekt. Freiwillige junge Leute werden auf Baustellen entsandt, wenn soziale oder kirchliche Einrichtungen gebaut werden: Kinderheime, Begegnungsstätten, Obdachlosen-Asyle, Altenheime oder Kirchen und Klöster. Voraussetzung ist, dass es sich um einen Bau von erheblichem öffentlichem Interesse handelt.
Die Mitarbeiter-Struktur ist vielschichtig. Meist handelt es sich nicht um Fachleute, sondern um sozial engagierte Menschen. Sie erhalten freie Kost und Logis sowie ein monatliches Taschengeld. Der Bauherr braucht für die Arbeit nichts zu bezahlen, allenfalls die Versorgung.
Bauherr ist Günter Kreuzpaintner aus Helmstadt. Mit seiner Firma „Cura fiducia“ (Sorge für Zuversicht) berät der gelernte Altenpfleger und Lehrer für Pflegeberufe seit 2003 Altenheime hinsichtlich ihrer inhaltlichen Entwicklung. Dazu hat er ein „Beziehungs- und Zuwendungsmodell“ (BZM) entwickelt.
Das Helmstadter Gebäude hat er von der Familie Lurz erworben. Bis März soll das Erdgeschoss bezogen werden. Darin will Kreuzpaintner eine ambulante Betreuungsstation für Demenzkranke sowie ein Bistro als Begegnungsstätte mit angeschlossenem Eine-Welt-Laden unterbringen.
Später will er im Obergeschoss eine flexible Kinderbetreuungsstätte anbieten. Nicht als Konkurrenz zum Kindergarten, sondern als Möglichkeit, Kinder ganz früh oder am Abend unterzubringen, wenn Eltern gerade keine Zeit haben und der Kindergarten geschlossen hat. Auch den rückwärtigen Teil des ehemaligen Bauernhofes will er in geeigneter Form nutzen. Wie genau, wird er erst entscheiden, wenn er einige Erfahrungen mit der Nutzung gesammelt hat.
Noch eine Woche bleiben die jungen Leute in Helmstadt. Die Wohnung für sie hat die Metzgerei Müller zur Verfügung gestellt. Versorgt werden sie ehrenamtlich von drei Frauen aus dem Ort. Der Obst- und Gartenbauverein hat sein Wasserhäuschen zum Speisesaal umfunktioniert. An diesem Samstag unternimmt die Truppe um Günter Kreuzpaintner einen Ausflug nach Würzburg und in die nähere Umgebung. Nächste Woche stoßen zwei weitere Helfer dazu.
Untereinander verstehen sich die jungen Männer und Frauen blendend, weiß Kreuzpaintner. Die Nationalitäten – holländisch, deutsch, bulgarisch, georgisch und russisch – bilden keine Barrieren; alle sprechen mehr oder weniger gut englisch.
Günter Kreuzpaintner (rechts) kann sich auf seine Helfer vom Bauorden verlassen. Die Georgierin Naira (Mitte) spricht sogar fünf Sprachen.
Die 22-jährige Naira kommt aus Georgien, hat ein Pädagogik-Studium hinter sich und spricht fünf Sprachen. Der 23-jährige Steinmetz Moritz aus Deutschland absolviert ein freiwilliges ökologisches Jahr beim Bauorden. Beim Objekt in Helmstadt kann er viel lernen: es wird nämlich nach althergebrachter Bauweise verfahren. Die Fachwerk-Zwischenräume (Gefache) und die Putze bestehen aus natürlichem Lehm, die Innenanstriche aus natürlichen Farben.
Alexander aus München opfert regelmäßig einen Teil seines Urlaubs für den Bauorden. Der 38-Jährige ist als Diplom-Elektroingenieur in der Entwicklungsabteilung einer inzwischen ausgelagerten Siemens-Sparte in München tätig.
Bei der Bevölkerung kommt das Projekt gut an. „Ich freue mich, dass das Anwesen sinnvoll genutzt wird und halte das Projekt für sehr gut“, sagte ein staunender Passant deutlich.
Mainpost, 07.11.2008, von Joachim Schwamberger
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