Mittwoch, 3. September 2008

Spitzhacke statt Strandbar

Junge Helfer schuften für einen guten Zweck

Statt am Strand zu liegen, arbeiten neun junge Menschen während der Urlaubszeit auf einer Baustelle - ehrenamtlich. In einem Dorf in Brandenburg wollen sie eine kühne Idee verwirklichen: eine neue Bleibe für Menschen in einer Lebenskrise bauen.


Im Einsatz für den Bauorden: Tatyana streicht eine Tür der alten Dorfschule.

Wände streichen bei 30 Grad im Schatten. Eine schweißtreibende Arbeit, die viel Durchhaltevermögen erfordert. Doch Evelien beklagt sich nicht. Die Ergotherapeutin aus den Niederlanden macht die Arbeit ganz freiwillig, während ihres Urlaub, und sie hat sogar Spaß dabei. "Hier habe ich Natur und nette Menschen um mich rum, bei schönem Wetter gehen wir auch nachmittags schwimmen", sagt sie und fügt hinzu, "und ich tue wirklich etwas für andere Menschen!"


Dorfschule in Lichtenow

In Lichtenow in Brandenburg sind insgesamt neun Freiwillige aus Deutschland, Russland, Polen und den Niederlanden angereist, um die alte Dorfschule samt Nebengebäuden umzubauen. Bei dem Projekt vom Verein "Vaterhaus Bienenwerder e.V." entstehen auf dem Grundstück nun kleine Wohnungen, Gemeinschaftsräume, eine Kapelle und Werkstätten. Hier sollen später einmal Menschen Unterschlupf finden, die in eine Lebenskrise geraten sind.

Umsonst ins Ausland

Die jungen Helfer kamen über den deutschen Bauorden nach Brandenburg. Der Verein ist Teil eines internationalen Netzwerks, das hilft, soziale Einrichtungen zu renovieren. Jährlich unterstützt der Orden knapp 200 Projekte. Wie hier in Lichtenow kommen junge Menschen aus ganz Europa zusammen, arbeiten und leben ein paar Wochen auf einem Baucamp.


Germanistikstudent Ildár

Für viele wie auch dem 18-jährigen Ildár aus Russland ist es eine willkommene Chance, andere Länder kennen zu lernen. Der Germanistikstudent, der zum ersten Mal in West-Europa ist, hätte sich ohne den Bauorden den Aufenthalt gar nicht leisten können. Dass er umsonst arbeitet, stört ihn deshalb nicht. "Wieso denn umsonst? Ich bekomme Essen und kann hier übernachten. Was braucht man mehr, um glücklich zu sein?"


Einsatz mit Erlebniswert

1953 gründete der holländische Priester Werenfried van Straaten den Bauorden. Er motivierte junge Menschen, beim Bau von Eigenheimen für Flüchtlinge und Vertriebene in Deutschland zu helfen. Seitdem haben mehr als 350.000 Menschen mitgeholfen. Zu den jungen Freiwilligen in der 55-jährigen Geschichte des Bauordens gehörte etwa Rupert Neudeck.



Die Sommerfrische lässt sich auch beim Mittagessen im Grünen genießen.

Für den späteren Gründer der Organisation "Komitee Cap Anamur-Deutsche Not-Ärzte e.V." war die Arbeit am Bau ein einschneidendes Erlebnis: "Bei meiner Mitarbeit in einer Flüchtlingssiedlung habe ich als junger Mann das eine gelernt: Jeder kann etwas tun gegen Not und Armut."

Sprache der Toleranz

Auch Romano Prodi, ehemaliger italienischer Ministerpräsident, erinnert sich gerne an seine Zeit beim Bauorden: "Die Wörter Schubkarre, Wasserwaage, Kelle und Pickel habe ich nie vergessen und es ist eigentlich kaum zu glauben, aber in einem kleinen Dorf in Deutschland habe ich gelernt, was Versöhnung, Toleranz und Europa bedeuten."

Eine Bereicherung in Sachen Spracherwerb ist das Baucamp allemal. In Lichtenow entwickeln Evelien und die drei jungen Frauen, mit denen sie ein Zimmer teilt, jeweils ihre eigene Methode: "Eine von uns schreibt alles auf, russische Wörter, englische, polnische Wörter und holländische Lieder. Und ich muss noch die Aussprache etwas üben, etwa 'Schnürsenkel'", sagt Evelien. Doch auch wenn man sich mit der neuen Sprache noch etwas schwertut, so kann doch jeder am Ende mit dem sicheren Gefühl nach Hause fahren, etwas Gutes getan zu haben.

von Olesja Marchukova

© ZDF 2008

Den Beitrag gibt es auch als Video in der ZDF Mediathek.

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